Heute Morgen machte der Deutsche Steuerberaterverband auf eine Anfang August eingelegte Verfassungsbeschwerde gegen die Grundsteuer aufmerksam. Der Verband empfiehlt, Einsprüche gegen Grundsteuerbescheide einzulegen, sofern diese noch nicht rechtskräftig sind oder neu ergehen, und sich dabei auf diese Verfassungsbeschwerde zu berufen (Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1644/05).
Das von dem Verband bekannt gegebene Verfahren ist jedoch nicht das einzige seiner Art.
Das vom Steuerberaterverband hervorgehobene Rechtsmittel hat eine kleine Anwaltskanzlei aus Heidelberg eingelegt. Der zuständige Partner, Jan Weber, ist ein 35jähriger Steuerberater und –fachanwalt. In der Kanzlei gibt es zudem noch Jan Webers Onkel Niels, Gründer und Namensgeber der Kanzlei. Er ist ein Erbrechtsspezialist, der sich gerade zum Fachanwalt qualifizieren lässt. Und es gibt da noch eine Familienrechtlerin.
Jan Weber zielt mit seiner Verfassungsbeschwerde nicht darauf, die gesamte Grundsteuer zu Fall zu bringen. Sein Antrag an das Gericht beschränkt sich auf Grundstücke, die der Eigentümer selbst bewohnt. Wie eine Rückfrage bei der Pressestelle in Karlsruhe bestätigt, ist Webers Verfahren offenbar das erste seiner Art beim Bundesverfassungsgericht seit den Entscheidungen zum Vermögensteuergesetz vom Juni 1995. Dies Urteil aus der Feder des Ex-Verfassungsrichters und jetzigen Schattenfinanzministers Paul Kirchhof hält Weber für einschlägig. Es hat nämlich das „persönliche Gebrauchsvermögen“ von der Besteuerung freigestellt; allerdings nur bei der Vermögensteuer. Weber ist davon überzeugt, dass dieser Grundsatz auch für die Grundsteuer gelten muss.
Die ordentlichen Gerichte haben sich indes von Webers Argumenten in keiner Weise beeindrucken lassen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe lehnte seinen Antrag ab und ließ nicht einmal die Berufung zu. Und auch der Baden-Württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim verwarf anschließend Webers Antrag, die Berufung doch zuzulassen. Weber hat sich eine Homepage namens www.grundsteuer.com gesichert, auf der er alle einschlägigen Dokumente, darunter das Kirchhof-Urteil zur Vermögensteuer und seine eigene Argumentation, ausbreitet.
Weber betreibt jedoch nicht das einzige Grundsatzverfahren gegen die Grundsteuer.
Deutlich umfassender ist der Prozess eines anderen Rechtsanwalts angelegt, Peter Leuchtenberg aus Krefeld. Dessen Klage ist derzeit beim dortigen Verwaltungsgericht anhängig. Sie betrifft den persönlichen Steuerbescheid Leuchtenbergs und seiner Frau. Der Anwalt ist zugleich Redakteur des Branchendiensts „Immobilien Intern“ aus dem Verlag Markt intern GmbH („Steuertip“, „Kapitalmarkt intern“). Dessen Pressestelle präsentierte den Prozess vor zwei Monaten ebenfalls als Musterverfahren.
Leuchtenberg legt den Schwerpunkt nicht auf die Eigentumsgarantie des Artikels 14 Grundgesetz, wie sein badischer Fachkollege. Er argumentiert mit dem Gleichheitssatz nach Artikel 3. Er hält es für unerträglich, dass die Grundsteuer von ihrem Wesen her eine Sondervermögensteuer nur für die Eigentümer von Grundvermögen darstellt, also die Eigentümer von anderen Vermögensarten wie Wertpapieren oder Unternehmen oder Ozeanriesen verschont.
Leuchtenberg führt auch soziale und politische Argumente ins Feld. Eine Erhöhung der Grundsteuer belaste nicht nur die Eigentümer, sondern auch die Mieter. Sie zahlten die Steuer über die Kostenumlage der Vermieter mit. Jedoch anders als diese hätten sie nicht einmal die Chance, gegen ihre steigende Belastung vor den Gerichten anzugehen. Leuchtenberg berichtet, dass er sich diesen Mechanismus für sein Verfahren eigens von Franz-Georg Rips, dem Direktor des Mieterbunds, hat bestätigen lassen.
Besonders verärgert hat ihn allerdings ein politischer Kontext, der sich erst auf den zweiten Blick erschließt. Dieser Zusammenhang dämmerte ihm, nachdem er vergeblich versucht hatte, den Wirtschaftsprofessor Johann Eekhoff von der Universität Köln für sein Verfahren zu gewinnen. Eekhoff ist aktiv in der Stiftung Marktwirtschaft. Dort entsteht unter Federführung von Joachim Lang, einem Rechtsprofessor derselben Uni, die Blaupause eines neuen Steuersystems. Langs Reformentwürfe finden im politischen Umfeld viel Widerhall. Sie sind eines der drei konkurrierenden wissenschaftlichen Konzepte, die derzeit in der interessierten Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit genießen. (Die anderen sind die „duale“ Einkommensteuer des Sachverständigenrats und die Flat Tax von Paul Kirchhof).
Langs Konzept sieht vor, die Gewerbesteuer durch andere Lösungen zu ersetzen. Eine davon liegt in der „Stärkung“ der kommunalen Grundsteuer. „Stärkung“, sagt Leuchtenberg, „heißt natürlich Erhöhung“. Mithin, so seine Befürchtung, sollen die Grundeigentümer und die Mieter einen Teil der Steuerausfälle tragen, welche die Abschaffung der Gewerbesteuer mit sich brächte. Für ihn ist das ein Argument mehr, gegen die in seinen Augen dann noch unsozialere Grundsteuer vorzugehen.
Einen dritter Prozess gegen den Grundsteuer führt derzeit der Berliner Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Josef Beck. Davon bald mehr.
(c) Michael Weisbrodt
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Tags: 1 BvR 1644/05, 1 BvR 311/06, II R 81/05