Der EFTA-Gerichtshof, in Luxemburg vis à vis des Europäischen Gerichtshofs gelegen, hat am Mittwoch (21. 9.) mündlich über ein 1999 beschlossenes Gesetz des isländischen Parlaments (Althing) verhandelt (Aktenzeichen E-2/05). Mit ihm gewährt die Inselrepublik im Nordatlantik bestimmten ausländischen Handelsgesellschaften einen Steuernachlass in Höhe von 5 Prozentpunkten gegenüber dem Steuertarif, den inländische Gesellschaften zu zahlen haben.
Island wollte mit dieser Maßnahme einen Teil des weltweiten Offshore-Geschäfts auf die Insel locken. Der Sondertarif stellt jedoch nach Auffassung der in Brüssel ansässigen EFTA-Aufsichtsbehörde eine unzulässige und wettbewerbswidrige Beihilfe dar. Zudem sei der Tarif weder der EFTA-Behörde angezeigt worden noch vereinbar mit dem EWR-Abkommen zwischen der EFTA und der Europäischen Union. Die Behörde verlangt, dass die begünstigten Unternehmen den Vorteil zurückzahlen, also rückwirkend ab 1999 höhere Steuern zahlen, als der isländische Gesetzgeber von ihnen verlangt.
Die EU-Kommission hat an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und die Position der EFTA-Behörde unterstützt. Nach Auffassung der Kommission können sich die Unternehmen, welche die Beihilfe in Anspruch genommen hatten, auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Dass die EFTA-Behörde nicht vorab von der Vorzugsbehandlung unterrichtet worden sei, stelle ein Manko dar, das ein wirtschaftlich sorgfältig Handelnder hätte erkennen müssen.
Island ist Mitglied der 1960 gegründeten EFTA, der European Free Trade Association. Die EFTA hatte einmal mehr Mitglieder als die EU. Heute gehören ihr noch 4 Staaten an: Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein. Drei dieser vier Staaten gehören seit 1994 zum EWR, zum Europäischen Wirtschaftsraum, der mit der EU vertraglich assoziiert ist. Die Schweizer hatten sich in einem Referendum selbst ausgeschlossen. Die Schweiz unterliegt daher auch nicht der Rechtsprechung des von 10 Jahren gegründeten EFTA-Gerichtshofs.
Die Urteile des EFTA-Gerichtshofs (sie heißen „Gutachten“) haben starken Einfluss auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Ein im vergangenen Herbst ausgesprochenes Gutachten (E-1/04, Fokus Bank gegen den Staat Norwegen) hat auch Auswirkungen auf Deutschland. Experten halten es für möglich, dass Deutschland in der Folge dieses Urteils seine Kapitalertragsteuer ändern muss. Näheres zu dem Fokus-Urteil in meinem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 25. 4. 2005, Seite 24.
© Michael Weisbrodt
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