Begriffswahnsinn

Wem gehört das Grundstück aus Sicht des Finanzamts? Der Ehefrau? Dem Ehemann? Beiden zusammen? Oder der Firma, welche die beiden betreiben? Ein neues Urteil des Bundesfinanzhof zeigt, dass das Unternehmenssteuerrecht gerade bei solchen Fragen aus einem undurchdringliches Dickicht richterlicher Definitionen besteht. Zu den Begriffsapparaten gehören die Betriebsaufspaltung (die in keinem Gesetz steht) und ein Gewimmel von Kategorien rings um das Wort Betriebsvermögen (die auch in keinem Gesetz stehen).

Ein Ehepaar klagte vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz in Neustadt an der Weinstraße mit dem Ziel, seine Besitzverhältnisse als Betriebsaufspaltung anerkennen zu lassen.

Als Betriebsaufspaltung gilt das Zusammenwirken von zwei unterschiedlichen Gesellschaften, die beide vorwiegend im Eigentum derselben Person oder Personen stehen. Die eine Gesellschaft betreibt dabei die aktiven Geschäfte. Das Steuerrecht nennt sie Betriebsgesellschaft. Die andere besteht aus einem Bündnis von Eigentümern, die dieser Betriebsgesellschaft ihr Vermögen vermietet oder verpachtet. Sie heißt Besitzgesellschaft. Zur Betriebsaufspaltung werden die beiden Gesellschaften, wenn die verpachteten Gegenstände für die Betriebsgesellschaft zentrale Bedeutung haben.

Das Ehepaar, dem das neue Urteil gilt, besitzt in Rheinland-Pfalz ein Autohaus mit angeschlossener Kfz-Werkstatt. Die Rechtsform, in der das Paar diese Firma betreibt, ist eine Kommanditgesellschaft. Die Ehefrau ist persönlich haftende Gesellschafterin der KG und besitzt 54 Prozent des Kapitals. Ihrem Gatten, der nur mit seiner Kommanditeinlage haftet, gehören 46 Prozent.

Das Firmengebäude und zahlreiche Stellflächen befinden sich auf einem Grundstück von gut 100 mal 83 Metern Größe. Es steht allein im Eigentum der Frau. Je zur Hälfte besitzt das Ehepaar noch zwei weitere Grundstücke, die offenbar auch für den Betrieb genutzt werden. Das Ehepaar zahlte in seiner Gestalt als Kommanditgesellschaft dem Ehepaar in seiner Gestalt als Grundbesitzer eine Miete. Als Ende des Jahrzehnts der Betriebsprüfer in die Firma kam, fand er bestätigt, dass die Mieten 1993 bei 310.800 Mark lagen und bis 1997 auf 426.000 Mark gestiegen waren.

Das Ehepaar nutzte nun die Gelegenheit und klagte als Kommanditgesellschaft beim Finanzgericht, diese Mietzahlungen bei der KG insgesamt als Betriebsausgaben anzuerkennen. Zusätzlich erklärten die beiden, sich mit ihren Grundstücken ebenfalls als Personengesellschaft organisiert zu haben, nämlich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – ein anderes Wort für BGB-Gesellschaft. Die Grundstücke seien deshalb kein Betriebsvermögen des Autohauses, sondern dieser GbR.

Das hatten die beiden Ehepartner vorher viele Jahre anders gehandhabt. Sie hatten die Mietausgaben der KG so zwischen sich aufgeteilt, dass jedem sein persönlicher Anteil daran zufloss. Das Steuerrecht nennt diese Aufteilung „Sonderbetriebseinnahmen“ des jeweiligen Gesellschafters. Dass es „Einnahmen“ heißt – und nicht „Ausgaben“ – liegt daran, dass das Steuerrecht solche Grundstücke zunächst als „notwendiges Betriebsvermögen“ der Betriebsgesellschaft – hier also als integrierten Teil des Autohauses – begreift. Nach dieser Begrifflichkeit bilden die Grundstücke jeweils „Sonderbetriebsvermögen“ der beiden Eheleute innerhalb der Autohaus-KG. Über diese Begriffswelt klagen selbst erfahrene Steuerexperten. Dabei sind Begriffe wie „notwendiges Betriebsvermögen“ oder „Sonderbetriebsvermögen“ erst der Anfang.

Auch die Klage des Ehepaars war zunächst eine reiner Streit um Begriffe. Denn wie man es dreht und wendet, die beiden Ehepartner oder das Ehepaar zusammen müssen stets den identischen Steuerbetrag bezahlen. Egal, ob die Grundstücke Teil einer Vermietungs-GbR sind oder notwendiges Betriebsvermögen der Autohaus-KG.

Aber warum wollte das Ehepaar dann von der jahrelang geübten Praxis abweichen und riskierte dafür sogar eine Klage bis hin zum Bundesfinanzhof?

Hintergrund ist eine geänderte Rechtsprechung, die der BFH im Jahr 1996 verkündet hatte (mit dem Aktenzeichen VIII R 13/95). Es geht dabei wieder um die Grenzziehung zwischen der Betriebsaufspaltung und dem unmittelbaren Betriebsvermögen

1996 hatte der BFH seine Grundsätze zur „mitunternehmerischen“ Betriebsaufspaltung geändert. „Mitunternehmerisch“ bedeutet, dass sich die Eigentümergruppe des Betriebsvermögens zu einer Personengesellschaft wie KG oder OHG oder GbR zusammen geschlossen hat. Die neue Rechtsprechung brachte solchen Gruppen Vorteile und Nachteile.

Unangenehm war die Sache zum Beispiel für einen Vermieter, der selbst ausschließlich an der Gesellschaft der Eigentümer beteiligt war. Plötzlich hatte die neue Rechtsprechung auch aus seinen Mieteinkünften gewerbliche Einkünfte gemacht. Das heißt, er musste jetzt für seinen Teil der Mieteinnahmen neben der Einkommensteuer auch Gewerbesteuer zahlen. Und wenn sich die mitunternehmerische Vermietungsgesellschaft auflöst, musste auch er Steuern für die Differenz aus Buch- und Marktwerten (die stillen Reserven) bezahlen.

Aber gerade auf dieser Ebene liegt auch der große Vorteil. Er kommt zum Tragen, wenn sich die aktive Betriebsgesellschaft auflöst oder wenn sie verkauft wird. Oder wenn die Besitzgesellschaft ihren Pachtvertrag mit ihr kündigt. Jedenfalls, wenn die bisherige Besitzgesellschaft ohne Partner dasteht und es deshalb keine Betriebsaufspaltung mehr gibt.

Bislang galt im Moment des Partnerverlusts, dass auch die Besitzgesellschaft ihre stillen Reserven versteuern musste. Seit der geänderten Rechtsprechung muss sie das nicht mehr. Oder genauer: nur noch dann, wenn der verloren gegangene Partner eine Kapitalgesellschaft (zum Beispiel eine GmbH) war.

Das wäre bei der Autohaus-KG des Ehepaars nicht der Fall. Die beiden hätten danach die Chance, ihr Autohaus stillzulegen, ohne sofort hunderttausende Euro stiller Reserven auflösen zu müssen. Die hohen ansonsten fälligen Steuern wären verschoben, womöglich bis zu dem berühmten St Nimmerleinstag. Daher des komplizierte Finanzgerichtsverfahren.

Der Bundesfinanzhof indes konnte dem Ehepaar nicht helfen. Denn die Aktenlage des Finanzgerichts gab nicht genug her, um den Konflikt zu entscheiden. Am 18. August verwies der BFH die Sache an das Finanzgericht zurück (Aktenzeichen IV R 59/04).

Was wieder einmal auffällt: Nichts von dieser richterlichen Definitionswelt wäre beseitigt, wenn die Steuergesetze kürzer wären. Es gäbe nur viel mehr Regelungslücken, welche die Richter (oder die Ministerialbeamten) füllen müssten.
© Michael Weisbrodt

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