Ölkonzerne müssen Subventionen zurückzahlen

Um die hohen Investitionszulagen zu retten, die Anfang der 90er Jahre in den Aufbau ihres ostdeutschen Tankstellennetzes geflossen sind, ließen sich zwei der ganz großen Mineralölkonzerne vergeblich auf eine gewagte Argumentation ein. Vor dem Bundesfinanzhof stellten sie ihre Tankstellenbetriebe als unselbständige Betriebsstätten dar. Eins der beiden Urteile stellt ganz darauf ab, dass die eigenen Tankstellenpächter in ihrem eigenen Unternehmen praktisch nichts zu sagen hätten.

Es sei sogar „zivilrechtlich zweifelhaft“, erklärte der Konzern gegenüber den Richtern, ob die zwischen ihm und den Pächtern abgeschlossenen Vereinbarungen ihren Namen als Pachtverträge zu recht trügen. Denn im Kern handele es sich „im Hinblick auf die Abhängigkeit“ der Pächter „zivilrechtlich um reine Dienst- (Handelsvertreter-) Verträge“ )Urteile vom 30. Juni 2005 Aktenzeichen III R 47/03 und III R 76/03).

Diese Argumentation dürfte bei den Sozialversicherungen auf Erstaunen stoßen. Auch die Gewerkschaften ver.di oder IG Bergbau Chemie Energie haben Grund, sich das neue Urteil anzusehen. Und mancher gekündigte Pächter mag jetzt vor Gericht auf diese Argumente hinzuweisen. Denn wenn zutrifft, was der Konzern geäußert hat, ist nicht einmal ausgeschlossen, dass für sie nicht die normale Gerichtsbarkeit zuständig ist, sondern das Arbeitsgericht. Nur: Ausgerechnet beim BFH haben diese Hinweise nicht gefruchtet.

Der Grund, aus dem die Konzerne diesen riskanten Weg gegangen sind: Bei den Investitionszulagen geht es um viel Geld. Dieses Geld steht Investoren nur zu, wenn das geförderte Produkt mindestens drei Jahre in einem Betrieb bleibt, der Anspruch auf die Investitionszulage besitzt. Eine Gesetzesänderung führte dazu, dass Handelsbetriebe seit Anfang 1993 keinen solchen Anspruch mehr besitzen. Hier liegt der Kern des Konflikts: Sind die Tankstellen Teil der Konzerne, die beide selbst Erdöl gewinnen und in Ostdeutschland Raffinerien betreiben, so spielt diese Gesetzesänderung keine Rolle. Sind sie eigenständige Betriebe der Pächter, so ist das Geld futsch. Daher dürfen die Pächter möglichst nichts zu sagen haben.

Die beiden Unternehmen gingen viele Jahre davon aus, dass die verpachteten Tankstellen keine Handelsbetriebe sind, sondern unselbständige Zweigstellen des jeweiligen Konzerns. Bis 1996 hatte es deshalb für alle ihre renovierten oder neu gebauten Tankstellen in den neuen Ländern die Zulage kassiert. Der Staat schoss – gestaffelt nach Jahren – zwischen 5 und 12 Prozent der Investitionssumme bei. Dann aber fiel unabhängig denkenden Betriebsprüfern auf, was in den Pachtverträgen steht. Und das führte zu Steuerbescheiden, die deftige Rückforderungen enthielten. Alle Investitionen, die nach Ablauf des Jahrs 1992 stattgefunden hätten, hatten ihren Anspruch auf die Investitionszulage verloren. Beide Klagen ging beim Bundesfinanzhof verloren.

Die Verfahren haben einen arbeits- und sozialpolitisch brisanten Hintergrund.

Er betrifft die Kategorie Scheinselbständigkeit. Viele Streitereien zwischen den Parteien und Fraktionen im Deutschen Bundestag Ende der 90er Jahre drehten sich um diesen ideologisch äußerst umkämpften Begriff. Der hatte seinen Ausgangspunkt in der zunehmenden Verbreitung einer Strategie des Outsourcing von Arbeitsplätzen. Vormals angestellte Hausmeister, Journalisten sowie Angehörige ungezählter anderer Berufsgruppen waren von ihrem bisherigen Arbeitgeber veranlasst worden, ihren Anstellungsvertrag aufzugeben und annähernd dieselbe Arbeit als Selbständige fortzuführen. Sie mussten sich dabei den sonstigen Arbeitsbedingungen und Abläufen des vormaligen Arbeitgebers anpassen, trotzdem aber auf den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung und auf den Kündigungsschutz verzichten.

Da die Arbeit jetzt auf der Basis eines „Werkvertrags“ statt eines „Dienstvertrags“ erfolgte, hatte der vorherige Arbeitgeber erhebliche Vorteile. In vielen Fällen arbeiteten frühere Mitarbeiter unterhalb des vorherigen Tarifniveaus weiter.

Um diese Verträge gerichtsfest zu machen, wurden sie mit vielen Elementen angereichert, die sie als eindeutig selbständig ausweisen sollten. An der realen Weisungsabhängigkeit vom Auftraggeber und oft vormaligen Arbeitgeber indes änderte sich wenig.

Das war der Grund dafür, dass die 1998 gewählte rot-grüne Regierungskoalition als eine ihrer ersten Maßnahmen ein Gesetz verabschiedete, dass anhand bestimmter aufzählbarer Kriterien gerichtsfest definieren sollte, wann ein Vertragsverhältnis trotz gegenteiliger Wortwahl als Arbeitsverhältnis gelten sollte. Das Gesetz scheiterte; die Koalition nahm es zurück, weil diese Kriterien zahlreiche echte Selbständige gegen deren Willen zu scheinselbständigen Arbeitnehmern machte. So galt die Abhängigkeit von nur einem einzigen Auftraggeber als starkes Indiz für eine Scheinselbständigkeit. Sie stellte sich jedoch in der Realität als typisches Merkmal einer selbständigen Tätigkeit in der Gründungsphase dar.

Auch den Verträgen von Tankstellenpächtern haftet nach Einschätzung des Tankstellengewerbes oft ein stark scheinselbständiges Element an. Dies kritisiert der Verband allerdings nicht mit dem Ziel, die Pächter in Arbeitnehmer umzuqualifizieren, sondern mit dem Ziel, ihnen echte unternehmerische Freiheit einzuräumen. Tatsächlich darf ein Tankstellenpächter meist nicht einmal eine Zeitschrift verkaufen, die im eigenen Handelssortiment des Ölkonzerns fehlt.
© Michael Weisbrodt

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One Response to “Ölkonzerne müssen Subventionen zurückzahlen”

  1. […] derSteuerdienst berichtete Mitte Oktober über zwei Urteile des BFH zu Subventionen in den neuen Ländern. Zwei Mineralölgesellschaften hatten hohe Subventionen zurückzahlen müssen, welche sie in Form von Investitionszuschüssen für den Aufbau ihres ostdeutschen Tankstellennetzes bezogen hatten (siehe „Ölkonzerne müssen Subventionen zurückzahlen“). […]

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