Zahlreiche Arbeitgeber können einstweilen aufatmen. Sie haben die betriebliche Altersversorgung ihrer Beschäftigten für viel Geld neu organisiert. Sie haben das bisherige Umlagesystem verlassen und sich für ein Kapitaldeckungsverfahren entschieden. Vielfach reichte das vorhandene Finanzvolumen aber nicht aus, um das erforderliche Anlagekapital zu finanzieren. Dann musste der Arbeitgeber zusätzliches Geld zu Gunsten seiner Beschäftigten investieren. Diese Zahlungen sind nach einem BFH-Urteil vom 14. September 2005, Aktenzeichen VI R 32/04 steuerfrei.
Bei dem Arbeitgeber, der das Urteil gewonnen hat, handelt es sich nach Recherchen des Steuerdiensts um die Kirchliche Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands (KZVK) in Köln. Diese Einrichtung versichert etwa 460.000 Beschäftigte im kirchlichen und karitativen Dienst von etwa 9.000 römisch-katholischen Arbeitgebern. Sie ist wichtigste betriebliche Versicherung in allen Diözesen Deutschlands , wobei in Bayern und Teilen Baden-Württembergs andere Versorgungswerke vorherrschen. Geistliche sind bei diesen Versorgungskassen nicht versichert.
Die Altersstruktur dieser kirchlichen Beschäftigten wies eine hoch riskante Struktur auf. Massive Deckungslücken des Umlagensystems waren offenkundig. Die Versicherung wurde sanierungsbedürftig. Die katholischen Arbeitgeber und die KZVK stellten deshalb ihre Versicherung im Jahr 2002 auf eine neue Grundlage, gaben das Umlagensystem auf und führten eine Kapitaldeckung ein.
Die Ansprüche auf Einzahlung durch die Beschäftigten reichten jedoch bei weitem nicht aus, um die vorhandene Deckungslücke zu schließen. Die diversen katholischen Arbeitgeber mussten einen Sanierungsbeitrag von knapp einer halben Milliarden Euro leisten, um die spätere Auszahlung zu gewährleisten.
Darin sah das Kölner Finanzamt – aber auch das Bundesfinanzministerium – eine Leistung, die bei den Beschäftigten Lohnsteuerpflicht auslöst. Solche Lohnsteuern werden üblicherweise nicht auf die einzelnen Beschäftigten umgelegt, sondern vom jeweiligen Arbeitgeber pauschal direkt an das Finanzamt abgeführt.
Um diese Zahlung abzuwenden, legte das KZVK für seine eigenen etwa 250 Beschäftigten Klage ein und führte den Musterprozess, der in das jetzt veröffentlichte Urteil mündete. Die Kernaussage des Gerichts: Sonderzahlungen an die KZVK, welche durch die Schließung des Umlagesystems ausgelöst worden sind, stellen bei den Beschäftigten keinen Arbeitslohn dar. Auch das Bundesfinanzministerium, das sich an dem Verfahren beteiligte, hatte die Richter nicht umstimmen können.
Abgesehen davon, dass es um sehr viel Geld geht, hat das Urteil Bedeutung weit über den Kreis der Beschäftigten im kirchlichen Rahmen hinaus. Aus Branchenkreisen erfuhr derSteuerdienst, dass allgemein mit einer Gegenreaktion gerechnet wird. Es könnte sein, dass die Regierungen von Bund und Ländern erwägen, gegen diese Rechtsprechung vorzugehen, unter Umständen mit einem so genannten Nichtanwendungserlass. Eine Anfrage des Steuerdiensts hat das Finanzministerium bislang nicht beantwortet, was wohl auch an der komplizierten Rechtslage und der aktuellen politischen Situation in Berlin liegt.
Allerdings dürfte es den obersten Finanzbehörden schwer fallen, noch etwas gegen die Tendenz dieser Rechtsprechung zu tun. Gerade heute hat der Bundesfinanzhof eine zweite Entscheidung zum Thema veröffentlicht, welche die gleiche Stoßrichtung einnimmt. Davon später.
Der Handlungsdruck für den Staat ist aus einem anderen Grund sehr hoch. Hunderttausende selbstständiger Unternehmer, die ihre Firma als GmbH führen, sichern sich selbst eine mehr oder minder üppige Altersversorgung aus Mitteln des Unternehmens. Zahlungen der GmbH in eine solche Versorgung oder auch die bloße Zahlungsgarantie der GmbH für spätere Zeiten führen bislang immer wieder zu massiven Steuernachzahlungen. Diese Zahlungen gelten meist als verdeckte Gewinnausschüttung. Diese Unternehmer – vor allem deren Steuerberater – werden jetzt alles versuchen, auch ihre eigene Altersversorgung unter Berufung auf das Katholikenurteil steuerfrei zu sanieren. Denn die Sanierungskosten für ihre eigene Altersversorgung würden dann abzugsfähige Betriebsausgaben darstellen. Erneut ginge es um außerordentlich hohe Summen. Das werden die obersten Finanzbehörden nicht so einfach hin nehmen. Das Urteil hat also insgesamt sehr hohe Brisanz.
© Michael Weisbrodt
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