Archive for Oktober, 2005

Die am 5. Oktober veröffentlichten BFH-Urteile

Sonntag, Oktober 9th, 2005

In der vergangenen Woche hat der Bundesfinanzhof neun neue Entscheidungen veröffentlicht. Jede davon betrifft nur eine vergleichsweise kleine Gruppe von Menschen. Aber jede liefert auch einen markanten Mosaikstein aus den realen wirtschaftlichen und politischen Konflikten dieses Landes.

In zwei Fällen nehmen die Urteile unmittelbar Stellung zur Tätigkeit des Gesetzgebers und der Ministerialverwaltung.

  • Im Urteil II R 34/03 legen die Richter Formulierungen des Schenkung- und Erbschaftsteuergesetzes aus, deren Text sie als in sich widersprüchlich bezeichnen. Ein Bürger kann sich dort auf den Wortlaut des Gesetzes berufen und bekommt doch nicht Recht (siehe den folgenden Text „Schenkungsteuer auf Betriebsvermögen“). Dieses Urteil liefert übrigens auch praktisches Anschauungsmaterial zur aktuellen Diskussion über die Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen.
  • In dem Urteil III R 59/04 widersetzen sich die Richter einem Nichtanwendungserlass, den das Bundesfinanzministerium in Absprache mit den Ländern veröffentlicht hat, und zwingen den Staat womöglich zu neuen Ausgaben (siehe „Investitionszulage sogar für Mieter?“).
  • Im Urteil X R 64/01 wiederum warnen die Richter die Bürger eindringlich davor, die privaten aus Darlehen finanzierten Altersrenten als steuerlich gar zu sicher anzusehen (siehe „BFH warnt vor kreditfinanzierter Rente“)
  • Der Beschluss X B 98/05 wiederum ist aus einem ganz anderen Grund spannend: Er zeigt, dass keineswegs stets der Gesetzgeber Schuld ist, wenn das Steuerrecht komplizierter wird. Das Richterrecht zum „notwendigen“ Betriebsvermögen steht inzwischen auch bei den Richtern selbst unter Beschuss (siehe „BFH dehnt ‚notwendiges Betriebsvermögen’ aus“).
  • Die Urteile oder Beschlüsse betreffen also Themen, die teils zumindest interessant, teils sogar brisant sind. Doch die dahinter stehenden Konflikte erreichen selten die öffentliche Diskussion. Ihre Themen bleiben kleinen Zirkeln von Spezialisten vorbehalten.

    Mein Weblog hat nun zum vierten Mal in Folge alle Urteile der Woche in die Alltagssprache solcher Menschen übersetzt, die nicht fachjuristisch sprechen und fühlen, die aber politisch mitreden.

    Ich hoffe, die folgenden neun Texte haben Ihnen etwas zu sagen. Wenn Sie selbst einen Kommentar dazu abgeben wollen, so fühlen Sie sich herzlich eingeladen.
    Ihr
    Michael Weisbrodt

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    Schenkungsteuer auf Betriebsvermögen

    Sonntag, Oktober 9th, 2005

    Die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf Betriebsvermögen ist ein Politikum. Zuletzt nahmen sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Unionsparteien Mitte März im Rahmen des Jobgipfels vor, hier für Erleichterungen zu sorgen. Und auch die anlaufenden Verhandlungen zu einer großen Koalition werden sie zum Thema haben. Doch kaum jemand kennt die wirkliche Praxis. Ein Urteil des Bundesfinanzhofs gewährt einen tiefen Einblick in ganz normale Abläufe.

    Ein wohlhabender Vater schenkte seiner Tochter im Februar 2000 Aktien mit einem Kurswert von 11 015 636 Mark. Das Geschenk umfasste zudem sämtliche Kosten des Vertrags und seiner Durchführung, die Schenkungsteuer eingeschlossen. Gegenüber dem Finanzamt (mehr …)

    Zins- statt Grundstücksschenkung

    Samstag, Oktober 8th, 2005

    Eine Mutter und ein Vater liehen jeweils sowohl ihrem Sohn und wie dessen Frau 200 000 Mark, damit sich die beiden ein Grundstück kauften. Das war 1991, und die 800 000 Mark bildeten den Grundstock für ein Wohnhaus, das schließlich fast 120 000 Mark kostete. Im Jahr 2000, neun Jahre nach dem Kauf, verzichteten die Eltern auf die Rückzahlung des Geldes. Noch ein Jahr später ging der Schwiegertochter ein Schenkungsteuerbescheid für 1991 zu, wegen des zinslosen Darlehens von 400 000 Mark (mehr …)

    BFH dehnt „notwendiges Betriebsvermögen“ aus

    Samstag, Oktober 8th, 2005

    Wenige Fallstricke fürchten Unternehmer mehr als den, dass aus ihrem Privatvermögen gegen ihren Willen Betriebsvermögen wird. Denn diese Änderung birgt eine Palette schwerer Nachteile. Der wichtigste darunter: Ein Verkauf des Vermögens kann hohe Steuerzahlungen nach sich ziehen.

    Trotzdem nehmen die Fallgruppen zu, in denen eine solche Umwandlung statt findet. Das liegt nicht an neuen Gesetzen, sondern an einer Tendenz der Rechtsprechung, die auch unter den Richtern kontrovers eingeschätzt wird. Mit einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil hat der Bundesfinanzhof trotzdem eine weitere Konstellation festgelegt, die aus Privatvermögen unversehens „notwendiges“ Betriebsvermögen macht. Betroffen ist (mehr …)

    BFH warnt vor kreditfinanzierter Rente

    Samstag, Oktober 8th, 2005

    In den neunziger Jahren boomte das Geschäft mit privaten Rentenversicherungen. Es gab die unterschiedlichsten Modelle, die aber im Prinzip alle auf dem gleichen Grundgedanken fußten: Ein Mensch im mittleren Lebensalter aber mit hoher Steuerprogression kauft sich mit nur einer einzigen hohen Zahlung eine Altersrente. Die soll ihm bis zu seinem Tod zufließen. Ein riskantes Kalkül, wie der Bundesfinanzhof in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil (mehr …)

    Investitionszulage sogar für Mieter?

    Samstag, Oktober 8th, 2005

    Mit einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil hat sich der Bundesfinanzhof zum zweiten Mal gegen die Rechtsauffassung des Bundesfinanzministerium entschieden. Es geht um Investitionszulagen für die Modernisierung und Anschaffung vermieteter Wohnhäuser in den neuen Ländern. Die Bundesregierung interpretiert das Investitionszulagengesetz in diesem Punkt so, dass nur Eigentümer berechtigt sind, den Antrag auf eine Zulage zu stellen. Der Bundesfinanzhof aber sieht für diese Einschränkung keine (mehr …)

    Ernährungsberatung kann Umsatzsteuer kosten – oder auch nicht.

    Samstag, Oktober 8th, 2005

    Ärzte, Krankengymnasten, Hebammen oder Angehörige ähnlicher Heilberufe brauchen für ihre Umsätze keine Mehrwertsteuer zu bezahlen. Auch Heilpraktiker praktizieren umsatzsteuerfrei. Nicht aber Ernährungsberater („Öcotrophologen“), entschied der Bundesfinanzhof. Steuerfrei sind deren Einnahmen nur, wenn sie (mehr …)

    Umsatzsteuer für gütliche Einigung

    Samstag, Oktober 8th, 2005

    Eine Anwaltssozietät hatte mit einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis einen Beratervertrag abgeschlossen. Die Anwälte erhielten jährlich pauschal 250000 Mark. Die Ärzte wollten diesen Vertrag vorzeitig beenden, weil sie sich untereinander zerstritten hatten und sich voneinander trennen wollten. Ohne gütliche Einigung hätte es wohl eine massive gerichtliche (mehr …)

    Unfreiwillige Organschaft bei der Umsatzsteuer

    Samstag, Oktober 8th, 2005

    Ein junger Mann war Geschäftsführer einer wenig erfolgreichen Speditions-GmbH. Die Geschäftsanteile besaß er zu knapp zwei Zehnteln selbst. Sieben Zehntel besaßen seine Eltern. Zudem gehörte den Eltern das Speditionsgelände. Dafür hätte ihnen die GmbH eigentlich Miete zahlen müssen. Aber für die jährlich 34 500 DM plus Umsatzsteuer fehlte seit Jahren (mehr …)

    Wenig Rechte gegen eidesstattliche Versicherung

    Samstag, Oktober 8th, 2005

    Das Finanzamt hatte einen Rheinland-Pfälzer zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses verpflichtet, nachdem es vergeblich versucht hatte, ausstehende Steuerschulden bei ihm zu vollstrecken. In dem Bescheid wies das Finanzamt darauf hin, dass es auch eine eidesstattlichen Versicherung von ihm fordern (mehr …)