Inzwischen gibt es Neues zum Zigarettenschmuggel-Urteil des BFH (derSteuerdienst.de vom 10. Januar). Das Steuerverfahren lief in Bayern ab, denn die Zigaretten waren 1993 über das Hauptzollamt Weiden, also aus der gerade gegründeten Tschechischen Republik, nach Deutschland gekommen. Die inzwischen zuständige Oberfinanzdirektion Nürnberg teilt mit, dass für die parallelen Strafermittlungen seinerzeit aber das Hauptzollamt Freiburg (heute eine Außenstelle des HZA Stuttgart) zuständig war. Dort erinnert man sich, dass es sich damals um ein „großes“ Verfahren handelte, dessen Ermittlungen etwa 1996 abgeschlossen waren (Ermittlungs-Aktenzeichen der Zollfahndung: E 600/93). Die Sache habe aber – wegen der Größenordnung – bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Mannheim gelegen. Von dort bald mehr.
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Merkwürdig ist allerdings eins: Eigentlich denkt jeder, Zigaretten-Schmuggler kommen entweder über die grüne Grenze oder sie verstecken die Ware geschickt in Fahrzeug-Ecken. Aber so: offiziell beim Zoll vorfahren – und erst dann mit der Ware untertauchen? Macht das für Schmuggler Sinn? Vermutlich ist die Anwort: Es kommt darauf an. Darauf wie groß das Entdeckungsrisiko ist und wie hoch der Gewinn. Und den Gewinn macht der Handel bekanntlich im Einkauf. Also: Was kostet die Ware innerhalb der Binnengrenzen Europas? Um einen Sattelschlepper zu füllen, sagte vorhin ein Zöllner dem Steuerdienst, muss jemand im Normalfall schon eine halbe Million Euro hinblättern (ohne Zoll und Steuern). Aber was ist normal? Der Steuerdienst macht jetzt mal eine kleine Marktrecherche.
Als Vergleichsgröße soll der Urteilsfall dienen. Die Mengenangaben des BFH sind vage: je Sattelschlepper 1000 Kisten, macht 2000 Kisten. Mit „Kisten“ dürften „Master Cases“ gemeint sein, die übliche Verpackungsart großer Zigarettenpartien. Eine Master Case enthält 50 Cartons (Stangen) à 10 Packs (Schachteln) à 20 Zigaretten. Also transportierten die beiden Sattelschlepper 20 Millionen Zigaretten. Der normale Einkaufspreis auf dem Markt scheint für Kleinganoven unerschwinglich.
Andererseits ist bereits eine ganze Palette von Zigarettenschmugglern in den persönlichen Konkurs gegangen, weil sie gefasst und dann steuerlich veranlagt worden waren. Die ganz normalen Abgaben – Tabaksteuer, Zoll, Umsatzsteuer – konnten sie nicht im Entferntesten aufbringen.
Dann wiederum ist bekannt, dass die großen Tabakkonzerne immer wieder Partien in den Markt geschleust haben, um deren Verbleib sie sich nie gekümmert haben. Dass sie sozusagen selbst als Agent provocateur handeln. Ob das wohl heute noch so ist? Und wenn ja, wie wären die Preise?
Tun wir also das Nächstliegende, schauen wir bei Google nach. Die Recherche führt zwar zunächst ins Nichts; oder genauer ins Unendliche, weil zu viele Fundstellen vorhanden sind. Aber dann gibt es einige richtig spannende Resultate. Zwar sind manche Angebote inzwischen verfallen und aus dem Netz genommen. Der Markt ist halt blitzschnell. Aber das Internet hat eine sehr lange Erinnerung. Es kommt darauf an, an der richtigen Stelle zu graben. In diesem Fall genügt es, Googles Cache-Button anzuklicken. Dort findet sich: ein Unternehmen, dass sich im Internet als „Deutsche Firma in Rumänien“ vorstellt.
Deren kürzlich gelöschte Anzeige bietet zehn 40-Fuß-Container mit Filterzigaretten der Marke „Boston“ an. Jeder Container enthält 1100 Master Cases, also geringfügig mehr als jeder der Sattelschlepper 1993. Und: Der Preis pro Master Case lag bei 48 US-Dollar – der des gesamten Containers also bei rund 53000 Dollar. Macht pro Zigarette knapp einen halben Cent. Frei ab Antwerpen / Rotterdam.
Eine Größenordnung, bei der es egal ist, ob man mit amerikanischen oder europäischen Cent rechnet. Die Preisdifferenz zu jedem möglichen Verkaufspreis ist einfach gigantisch. Und im Einkauf wird auch kein Schmuggler mehr als den Marktpreis bezahlen. Der Firma kann sicherlich niemand aufgrund dieser Anzeige Schechtes unterstellen. Sie nimmt, was der Markt bietet.
Aber ist der Preis eine Ausnahme? Die gleiche Suche führt zu einem Angebot der US-Firma BCI International. Sie vermittelt einen Sonderposten Marlboro Zigaretten, angeblich im direkten Auftrag von Philip Morris Product Inc.
Standort der Zigaretten: Belgien. Menge: 120 Container. Preis pro Stange: 60 Cent. Das sind pro Master Case 30 US-Dollar (Bild 2). Von wegen „einen halbe Millionen Euro“ …
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Liebe Leserin, lieber Leser, Sie glauben den Bildern nicht? Schauen Sie selbst nach. Der Steuerdienst kann Ihnen allerdings in diesem Fall nicht die Arbeit abnehmen und legt keinen Link. Denn das wäre haftungsrechtlich zu risikant. Aber Sie können es selbst nachprüfen. Geben Sie in Google ein: „’Master Case’ Container“. Nichts weiter. Aber vergessen Sie die Anführungsstriche um Master Case nicht. Um das Angebot überschaubar zu machen, wählen Sie oben den Button „Angebote auf deutsch“. Sie erhalten dann ein halbes Dutzend Resultate. Alles passt auf einen Bildschirm. Klicken Sie dann bei „Global-Gerom“ auf „im Cache“. Dort finden Sie die Anzeige.
Kehren Sie anschließend zurück zur Suchseite und klicken Sie einige Einträge tiefer auf „offer digest“ (aber diesmal nicht den Cache). Sobald sich dort die Seite öffnet, nutzen sie die Suchfunktion Ihres Browsers und geben Sie ein „Master case“. Das reicht und führt Sie zum Philip-Morris-Angebot.
Wenn Sie noch mehr finden wollen, kein Problem. Wählen Sie statt „Angebote auf deutsch“ „Das Web“. Viel Spaß beim Stöbern.
© Michael Weisbrodt
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Hi das ist eine sehr wahre aussage, was sie da schrieben.
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