Angeblich arbeiten die Menschen in Deutschland erst seit dem heutigen 14. Juli für sich selbst und nicht mehr für die Staatskassen. Denn die Abgabenquote liegt ebenso angeblich bei 53.3 Prozent. Das ist, auf gut deutsch, Quatsch. Aber viele Journalisten beten die Behauptung gedankenlos nach.
Dreieinhalb Jahre lang habe ich mein Weblog links liegen gelassen. Heute muss „derSteuerdienst.de“ mir aber wieder als elektronisches öffentliches Tagebuch dienen. Ich kann mich nicht damit abfinden, dass Nachrichtenagenturen wie dpa, dass Funk und TV, dass Bild.de und dass so genannte seriöse Zeitungen die gestrige Verlautbarung des Bunds der Steuerzahler zum „Steuerzahler-Gedenktag“ der Öffentlichkeit heute wieder einmal ohne kritische Nachfragen oder gar den Versuch einer Einordnung wie eine recherchierte Nachricht präsentieren. Mit dieser Liebedienerei zu Gunsten des Steuerzahlerbunds und zu Lasten der Wahrheit und der journalistischen Sorgfaltspflicht erleichtern sie es dann auch Politikern wie dem FDP-Generalsekretär Dirk Niebel, den „Gedenktag“ des Steuerzahlerbunds als Steuerzahlertag der FDP zu begehen und ihm so zusätzliche Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Dabei hat ein erheblicher Teil der Journalisten Politische Wissenschaft oder Volkswirtschaftslehre studiert. Diese Journalisten verfügen seit dem Grundstudium über das notwendige Wissen, um die Schlagseite dieser scheinbar objektiven „Abgabenquote“ zu erkennen. Und sie könnten einmal prüfen, warum der Steuerzahlerbund als weltweit einziger Steuerzahler-Lobbyverband eine unechte Quote nach dem „Volkseinkommen“ berechnet, obwohl die indirekten Steuern im Volkseinkommen nicht enthalten sind. Sie könnten vergleichen, warum fast alle Steuerzahler-Lobbys weltweit das größere Nettonationaleinkommen – das die indirekten Steuern umfasst – als Vergleichsmaßstab heranziehen und das auch ausführlich begründen. So wie es beispielsweise das Londoner Adam-Smith-Institute für den britischen „Tax Freedom Day“ tut.
Aber diese kleine Recherchemühe würde ja zu einer geringeren Abgabenquote und einem deutlich früher liegenden Steuerzahler-Gedenktag (beziehungsweise FDP-Steuerzahlertag) führen. Das würde wohl in vielen Redaktionen nicht gut ankommen: Meist gilt als kritischer Rechercheur, wer die Verhältnisse möglichst schlimm darstellt. Wer sagt, dass die durchschnittliche Abgabenbelastung deutlich geringer ist, als von Scharfmachern behauptet, hat da schlechte Karten.
Ich werde trotzdem versuchen, es zu erklären.