Die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf Betriebsvermögen ist ein Politikum. Zuletzt nahmen sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Unionsparteien Mitte März im Rahmen des Jobgipfels vor, hier für Erleichterungen zu sorgen. Und auch die anlaufenden Verhandlungen zu einer großen Koalition werden sie zum Thema haben. Doch kaum jemand kennt die wirkliche Praxis. Ein Urteil des Bundesfinanzhofs gewährt einen tiefen Einblick in ganz normale Abläufe.
Ein wohlhabender Vater schenkte seiner Tochter im Februar 2000 Aktien mit einem Kurswert von 11 015 636 Mark. Das Geschenk umfasste zudem sämtliche Kosten des Vertrags und seiner Durchführung, die Schenkungsteuer eingeschlossen. Gegenüber dem Finanzamt nahm der Vater für dieses Geschenk den speziellen Freibetrag in Anspruch, den das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz für Betriebsvermögen vorsieht. Der Freibetrag lag damals bei 500000 Mark. Er liegt heute bei 225000 Euro. Der Tochter stand zudem ihr persönlicher Freibetrag von 400000 Mark (heute 205000 Euro) zu. Ihr Steuersatz für Schenkungen und Erbschaft dieser Größenordnung lag bei 23 Prozent. Der Höchstsatz liegt bei 30 Prozent.
Das Geschenk an die Tochter umfasste allerdings nicht das Recht an den Dividenden. Das behielt sich der Vater selbst vor. Einen solchen Vorbehalt stellt das Gesetz einer entsprechenden Zahlung gleich, welche die Tochter dem Vater schuldet. Diese Belastung der Tochter mindert zwar nicht die Schenkungsteuer. Aber der Staat stundet den entsprechenden Teil der Steuer, und zwar zu einem Zinssatz von Null Prozent.
Auf dieser Basis ermittelte das Finanzamt für das Geschenk eine Steuer in Höhe von 1 336 099 Mark, die es sofort in voller Höhe zinslos stundete. Diese Berechnung war zustande gekommen, indem das Finanzamt den Wert der Schenkung zunächst um den Wert der vom Vater zu tragenden Schenkungsteuer erhöhte und so eine Gesamtschenkung von über 12 Millionen Mark ermittelte. Die Belastung der Tochter wiederum durch das fehlende Dividendenrecht setzte das Finanzamt mit gut 6 Millionen Mark an.
Die verbleibende Schenkung von 6 Millionen Mark, für die eigentlich sofort Steuer fließen müsse, schmolz indes massiv zusammen. Und zwar deshalb, weil das Gesetz die Gesamtschenkung zunächst um die Freibetrag vermindert und den Rest mit Bewertungsabschlägen versehen hatte, die das Gesetz ebenfalls vorsieht. Dabei wird geschenktes oder vererbtes Betriebsvermögen nur mit 65 Prozent seines tatsächlichen Werts angesetzt. Der danach verbleibende Rest war geringer als die rechnerische Belastung der Tochter durch das fehlende Dividendenrecht.
Möglicherweise hatte der Vater den Umfang der Schenkung genau so bemessen, dass dieses Ergebnis zu Stande kommt. Denn eine solche steuerfreie oder quasi steuerfreie Schenkung an die Kinder dürfen Eltern alle 10 Jahre neu durchführen. Das mindert die andernfalls später unvermeidliche Erbschaftsteuer beträchtlich. In vielen Fällen sinkt sie deshalb auch bei großen Vermögen letztlich auf Null Euro.
Ein Jahr nach diesem Vorgang jedoch korrigierte sich das Finanzamt. In einem neuen Bescheid änderte es zwar nicht die Höhe der Erbschaftsteuer von 1 336 099 Mark, wohl aber den gestundeten Betrag. Der sank auf 780 083 DM, so dass der Vater 556.016 Mark sofort zahlen musste. Die Begründung war sinngemäß, dass das Gesetz Schulden und Lasten nicht zum Abzug zulässt, soweit sie im Zusammenhang mit schenkungsteuerfreien Einnahmen stehen.
Dieses Abzugsverbot hatten die Beamten im ihrer ursprünglichen Berechnung nicht beachtet. Vergeblich klagte der Vater dagegen durch zwei Instanzen. Allerdings gestand der ihm der Bundesfinanzhof zu, sich auch mit seiner Berechnung durchaus auf das Gesetz berufen zu können. Nur leider stehe der fragliche Passus „systemwidrig“ im Widerspruch zu anderen Paragrafen (Urteil vom 6. Juli 2005, Aktenzeichen II R 34/03).
© Michael Weisbrodt
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