Die große Mehrheit der Ehepaare kommt ohne Ehevertrag aus. Für sie gilt der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Wenn einer der beiden Partner stirbt, muss also der während der Ehe bei jedem der beiden entstandene Zugewinn ausgerechnet werden. War der Vermögenszuwachs des Überlebenden geringer als der des Verstorbenen, so erhält der Überlebende einen entsprechenden Ausgleich. Allerdings muss ihm diesen Ausgleich nicht tatsächlich ausgezahlt werden, denn unter Umständen fällt ihm aufgrund der Erbauseinandersetzung real mehr oder weniger zu, als der Zugewinnausgleich erwarten ließe.
Für die Erbschaftsteuer muss dieser Zugewinnausgleich aber trotzdem errechnet werden. Denn nur das Vermögen, das über diesen „fiktiven“ Ausgleich hinausgeht, kann steuerpflichtig sein. Ein höheres Vermögen des überlebenden Partners, das lediglich aus diesem Ausgleich hervorgeht, ist steuerlich also eigentlich irrelevant .
Im bürgerlichen Recht allerdings erhöht sich der Ausgleichsanspruch oft über den reinen Vermögenszuwachs hinaus. Das ist dann der Fall, wenn ein Ehepartner sein Vermögen in großem Stil ausgehöhlt hat, indem er es verschwendete, es verschenkte, ohne dazu moralisch verpflichtet zu sein, oder wenn er damit auf eine Weise umgegangen ist, die dem anderen Ehegatten schaden sollte. Trifft dies im konkreten Fall zu, so erhöht diese Aushöhlung den Betrag, den der andere Partner als Ausgleich verlangen kann.
Ein bayerisches Finanzamt zog daraus die Konsequenz, dass darin eine Vermögenssteigerung des überlebenden Ehepartners liegt, die auch die Erbschaftsteuer erhöht. Es verlangte deshalb von einer Witwe über 100 000 Mark Erbschaftsteuer, die andernfalls nicht entstanden wären. Das hat der Bundesfinanzhof mit einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil abgewiesen.
Der Fall: Ein Ehemann hatte sein ausgleichpflichtiges Vermödgen vor seinem Tod um gut sechs Millionen Mark ausgehöhlt. Der Ehefrau hinterließ er lediglich ein Vermächtnis gut 3 Millionen Mark.
Der Bundesfinanzhof entschied, dass der Zugewinnausgleich zunächst so errechnet werden muss, als wäre die Zugewinngemeinschaft nicht durch den Tod des Erblassers beendet worden, sondern unter Lebenden. Damit erhöhte sich der Anspruch, welcher der Witwe als Zugewinnausgleich zusteht, um ihren Teil aus der Aushöhlungskomponente. Entsprechend schrumpfte der Teil des Nachlasses, der die steuerpflichtige Erbschaft ausmacht. Im Ergebnis blieb der Wert dieses Vermächtnisses sogar hinter dem Betrag zurück, den die Witwe ohne Steuerbelastung hätte beziehen können (Urteil vom 29. Juni 2005, Aktenzeichen II R 7/01).
© Michael Weisbrodt
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