Scheidungen kosten viel Geld und können für die Betroffenen eine ganz und gar außergewöhnliche Belastung sein. Auch das Einkommensteuergesetz kennt den Begriff „außergewöhnliche Belastung“. Leider aber ist die Lebenslage nicht immer identisch mit dem steuerlichen Label. Und weil beides auseinander fallen kann, hat der Bundsfinanzhof die finanzielle Last vieler Scheidungen noch einmal deutlich erhöht. Das steht in zwei Urteilen, die der BFH vergangene Woche veröffentlicht hat. Hinter dieser Verschärfung steht aber auch das Bundesfinanzministerium, das sich an beiden Prozessen beteiligt und massiv auf diese Verschärfung gedrungen hatte (Aktenzeichen III R 27/04 und III R 36/03).
Hier der Hintergrund der beiden Prozesse und die Lösung des Gerichts.
Dem einen Urteil lag ein Fall zugrunde, bei dem ein Geschiedener allein seinem Rechtsanwalt 48.186,40 Mark hatte zahlen müssen. Hinzu kamen 746,25 Mark für das Gericht, 7.336,66 Mark für einen Gutachter und rund 1.000 Mark durch zusätzlichen Kleinkram. Der Mann wollte die zusammen 57.270 Mark als außergewöhnliche Belastung absetzen.
Das Ehepaar war offensichtlich nicht arm gewesen, hatte aber auch nicht zu den Krösussen gehört. Die Kosten gingen vor allem auf die wechselseitige Übertragung eines bislang gemeinsam bewohnten Einfamilienhauses und einer Eigentumswohnung zurück.
In dem anderen Fall hatten Eheleute zunächst Gütergemeinschaft vereinbart, die sie nach der Scheidung teuer auflösen mussten. Kosten: 42.448 Mark.
Bislang gingen die Finanzbehörden in der Regel davon aus, dass solche Kosten zu großen Teilen unvermeidlich – und deshalb steuerlich absetzbar sind. Jetzt aber hat der Bundesfinanzhof einen anderen Blickwinkel eingenommen und beruft sich dabei auf die Eherechtsreform von 1977. Damals legte der Gesetzgeber fest, dass jeder Partner – auch gegen den Willen des anderen – durchsetzen kann, dass sich das Scheidungsgericht zugleich auch um die wichtigsten Teile der Vermögensauseinandersetzung kümmert. Weil das Gericht hier zwei unterschiedliches Sachen zusammen verhandelt, lautete das rechtliche Fachwort dafür „Verbund“.
Einen speziellen Punkt muss das Gericht seither allerdings zwingend zusätzlich zur Scheidung regeln, auch wenn das keiner der beiden Ex-Partner will: den Versorgungsausgleich zwischen den Geschiedenen. Das rechtliche Fachwort dafür ist Zwangsverbund. In der Praxis machten die Finanzbehörden zwischen den Kosten des Verbunds und des Zwangsverbunds bislang kaum einen Unterschied. Sogar die aktuelle Fassung des amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs (EStH) enthielt unter dem Stichwort „Scheidung“ bislang eine eher großzügige Auslegung des Begriffs „außergewöhnliche Belastung“.
Vor dem Bundesfinanzhof kündigte des Finanzministerium jetzt aber an, diese Formulierung künftig enger zu fassen. Das Gesetz verlange nur, dass wirklich zwangsläufige Folgekosten der Scheidung steuerlich absetzbar sind, also nur der Zwangsverbund.
In diesem Sinn entschied nun auch der Bundesfinanzhof. Dass der Verbund für den
überstimmten Ehepartner faktische zu ganz „außergewöhnlichen“ Belastungen führen kann, spielte für das Gericht keine Rolle mehr. Hier die Pressemitteilung, die der BFH dazu heraus gab:
„Kosten für die Auseinandersetzung des Vermögens anlässlich einer Scheidung sind nicht als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen
Mit der Scheidung hat das Familiengericht auch den Versorgungsausgleich durchzuführen (sog. Zwangsverbund).
Andere bei einer Scheidung zu treffende Regelungen z.B. über den Unterhalt, die Auseinandersetzung des gemeinsamen Vermögens, das Sorgerecht (sog. Folgesachen) sind hingegen nur dann zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und zu entscheiden (sog. Verbund), wenn ein Ehegatte dies rechtzeitig begehrt (§§ 623, 621 der Zivilprozessordnung).
Diese Unterscheidung hat auch steuerrechtliche Bedeutung: Prozesskosten für die Scheidung und den Versorgungsausgleich werden als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt. Dagegen sind die Aufwendungen für die Auseinandersetzung gemeinsamen Vermögens anlässlich einer Scheidung nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Juni 2005 III R 36/03 und III R 27/04 nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, unabhängig davon, ob die Eheleute die Vermögensverteilung selbst regeln oder die Entscheidung dem Familiengericht übertragen.
In dem Rechtsstreit III R 36/03 hatten die im ehelichen Güterstand der Gütergemeinschaft lebenden Eheleute zur Vorbereitung der Scheidung einen notariellen Ehe- und Auseinandersetzungsvertrag geschlossen, in dem die Gütergemeinschaft aufgehoben und auseinander gesetzt wurde. Die hierfür entstandenen Notar- und Rechtsanwaltskosten des Ehemannes ließ der BFH nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zu.
In dem Rechtsstreit III R 27/04 hatten die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Eheleute im Scheidungsverfahren einen Teilvergleich zur teilweisen Vermögensauseinandersetzung geschlossen. Der Ehemann machte nach der Scheidung die auf ihn entfallenden Gerichtskosten, die Kosten für den Rechtsanwalt, der ihn auch bei der Vermögensauseinandersetzung beraten hatte, und die Kosten für einen Gutachter als außergewöhnliche Belastung geltend. Finanzamt und Finanzgericht berücksichtigten nur die auf die Ehescheidung ohne Vermögensauseinandersetzung entfallenden Kosten, die sie auf ungefähr 25 % der Gerichts- und Anwaltskosten schätzten. Der BFH bestätigte diese Entscheidung.“
Dass die gegenwärtigen Fassung des Einkommensteuerhandbuchs (EStH) und die letzten einschlägigen Verwaltungsanweisungen noch großzügiger lauten, hilft nichts. Oliver Heyder-Rentsch, ein Sprecher des Finanzministeriums (BMF), zum Steuerdienst:
„Weder aus einem BMF-Schreiben noch aus dem Handbuch kann der Steuerpflichtige einen Anspruch herleiten. Beide stellen Verwaltungsanweisungen nach innen dar.“
Die vollständige Antwort, die er übermittelte, hat den folgenden Wortlaut:
„Die Hinweise in dem jährlich erscheinenden EStH werden von den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder beschlossen. Sie enthalten einen ausgewählten aktuellen Stand der BFH-Rechtsprechung; diese im Bundessteuerblatt veröffentlichte Rechtsprechung ist für die Finanzverwaltung verbindlich, soweit kein Nichtanwendungserlass ergangen ist.
Im EStH 2004, das vom Bundesfinanzministerium Anfang März 2005 für den Veranlagungszeitraum 2004 herausgegeben wurde, wird im Hinweisteil – H 186–189 – unter dem Stichwort „Scheidung“ das BFH-Urteil vom 21.2.1992 – (BStBl II S. 795) zitiert.
Zwischenzeitlich hat der BFH mit den Urteilen vom 30.6.2005 (Az. III R 27/04 und III R 36/03) entschieden, dass die unmittelbaren und vermeidbaren Kosten eines Scheidungsprozesses als zwangsläufig erwachsen anzusehen sind. Dies sind die Prozesskosten für die Scheidung und den Versorgungsausgleich (sog. Zwangsverbund, § 623 Abs. 1 ZPO). Aufwendungen für die Auseinandersetzung gemeinsamen Vermögens anlässlich einer Scheidung sind dagegen nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob die Eheleute die Vermögensverteilung selbst regeln oder die Entscheidung dem Familiengericht übertragen.
Diese BFH-Urteile sind zur Veröffentlichung bestimmt und daher mit ihrer Veröffentlichung im Bundessteuerblatt verbindlich.
Es ist daher beabsichtigt, auf die neue BFH-Rechtsprechung vom 30.6.2005 im neuen EStH 2005, welches Anfang März 2006 erscheinen wird, hinzuweisen. Entsprechend den Entscheidungen des BFH wird der Hinweis „Scheidung“ angepasst. Er kann mit der Fundstelle im EStH – H 33 (Scheidung) – bzw. mit der Fundstelle im Bundessteuerblatt zitiert werden.“
© Michael Weisbrodt
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